Omnichannel im Callcenter
Inhalt dieses Beitrags:
Seit Jahren ist Omnichannel in aller Munde. Vorher eine Spielwiese für Experten, ist das Thema in Marketing und Vertrieb angekommen. Doch im Kundenservice stehen wir immer noch am Spielfeldrand und fragen uns, ob wir mitspielen wollen.
Die Kunden haben das längst beantwortet: Das Internet wird nicht wieder verschwinden. Eine ganze Kundengeneration kennt keine Welt ohne Messenger und soziale Medien – allenfalls, wenn es im Urlaub kein Netz gibt. Die Kommunikation hat sich verändert: E-Mail und Telefon werden weniger wichtig, SMS finden junge Menschen altmodisch. Neue Plattformen entstehen und verschwinden. Sie verändern nicht nur, mit welcher Technik wir kommunizieren, sondern auch wie. Kommunikation wird öffentlich. Was früher nur einige Umstehende hörten, lesen heute alle auf Twitter oder Reddit. Die Zuhörer können sich einmischen, mit schlichtenden, anfeuernden, aber auch sarkastischen und aggressiven Zwischenrufen von den Rängen. Wie früher bei einem Streit auf dem Marktplatz, nur ist der heute gewaltig groß. Wenn wir wollen, dass die Kunden mit uns reden, statt schlecht über uns, dann muss der Kundenservice auf diesen Marktplatz.
Omnichannel-Kundenservice verändert ein Unternehmen
Omnichannel Kundenservice ist weit mehr, als eine Telefon-Hotline, eine E-Mail-Adresse, ein Live Chat und ein Facebook-Account, die nicht verknüpft sind. Kunden erwarten eine nahtlose Betreuung auf den angebotenen Kanälen. Sie möchten überall die gleiche (richtige) Information bekommen und sie wollen auf keinen Fall ohne Antwort weggeschickt werden. Service auf vielen Plattformen funktioniert am besten, wenn im Unternehmen alle miteinander sprechen und arbeiten. Das verändert eine Firma. Weit mehr, als dem Management bewusst ist.
In den meisten Unternehmen lenkt das Marketing die Sozialen Medien. Die Resonanz der Kunden ist trotz aller Anstrengungen mau. So entsteht ein zusätzlicher Kanal mit Einbahnstraßen-Kommunikation, die Interaktion geht verloren. Trudeln die ersten Service-Fragen und Beschwerden ein, verweist das Marketing auf die klassischen Kommunikations-Kanäle. Dieser Kanalbruch verärgert die Kunden. Andreas Brock, der strategische Kopf hinter „Telekom hilft“ sagt: „Wer im Sozialen Netz Dialog anbietet, der muss auch eine Anlaufstelle für Kundenservice sein.“ Damit es gar nicht erst zu solchen Konversationen kommt:
@Twitter-Nutzer „Hey @Telefonanbieter checkt mal bitte, warum bei mir kein Signal ankommt! Nach 1h 4min werde ich übrigens immer aus der Telefon-Warteschleife geschmissen.“
@Telefonanbieter „Tut mir leid. Ich kann dich nur bitten, es weiterhin bei der Störungshotline zu versuchen.“
@Twitter-Nutzer einen Tag später „Hab ich dann heute, nach einer vergeblichen Woche zum letzten Mal versucht. Kündigung ist raus.“
Kommt der Kundenservice bei den sozialen Medien an Bord, verschiebt sich das Kräftegleichgewicht in der Firma. Die unausgesprochene Rivalität zwischen Marketing, Vertrieb und Service wird verstärkt. Wer bestimmt den Tonfall? Kann eine ehrliche Antwort auf ein Problem dem Umsatz schaden? Wessen Jahresziele haben Vorrang? Das alles muss geklärt werden, wenn der Kundenservice in den Marketing-Kanälen mitarbeiten soll. Bekommen die Beschäftigten einen Maulkorb, damit auf keinen Fall etwas schief geht, ist das der Tod des Omnichannel Service.
Stellen die Kunden gar öffentlich technische Fragen, wird den Kollegen aus Forschung & Entwicklung Angst und Bange. Nun soll jeder mitlesen können, wenn der Service Produktwissen weitergibt? Auch die Konkurrenz? Das schmeckt den Ingenieuren und Wissenschaftlern gar nicht. Denn nach ihrem Verständnis sind das die Kronjuwelen des Unternehmens, die auf dem Marktplatz ausgestellt werden – Selbstbedienung inbegriffen. Service in den Sozialen Medien klappt nur, wenn die internen Bereiche mitarbeiten.
Kundenservice im Netz braucht besondere Mitarbeiter
Traditioneller Kundenservice reagiert auf die Kunden. Alle sind froh, wenn sie die Welle der Anfragen reiten und sie nicht über ihnen zusammen bricht. Aktiv auf allen Kanälen suchen, ob jemand über die Firma meckert? Das bleibt ein Wunsch, denn dafür ist keine Zeit. Kundenservice in sozialen Medien braucht mehr. „Telekom hilft“ macht es vor: Dort werden Wartungen angekündigt, Tipps veröffentlicht, Experten befragt und neue Service-Leistungen vorgestellt. Dazwischen beantwortet das Team Fragen und löst die Probleme der Kunden.
Das braucht mehr Ressourcen, als dem Service meist zugestanden werden. Und es bedarf Beschäftigter, die den ungezwungenen Tonfall des Netzes und des Chats beherrschen, ohne dabei unhöflich zu werden. Die nicht im Frust die Kunden mit „Leute“ ansprechen, wie bei TelDaFax geschehen. Der lockere Ton auf Facebook und Twitter täuscht leicht, doch Kunden erwarten auch dort Höflichkeit. Die Beschäftigten brauchen zugleich emotionale Intelligenz und Erfahrung im Unternehmen. Kundenservice im Netz ist kein Job für Praktikanten, die wegen ihrer Jugend im Netz zu Hause sind. Die Technik lässt sich schneller lernen, als der Umgang mit Kunden in schwierigen Situationen.
In Sozialen Medien und Live Chats ist Persönlichkeit gefragt. Legendär ist der Chat eines Mitarbeiters von Netflix, in dem er in die Rolle eines Star Trek Captains schlüpfte. In manchen Unternehmen hätte ihn das den Job gekostet, Netflix hingegen ermöglichte ihm ein Treffen mit William Shatner. So weit müssen Ihre Beschäftigten nicht gehen. Zumal es einige Kunden befremdlich fänden.
Viele Servicekräfte wollen nicht auf offener Bühne agieren, sie ziehen es vor, anonym zu bleiben. Sie empfinden es als übermäßigen Druck, wenn alle ihr Verhalten beobachten. Sie werden in den öffentlichen Kanälen wie Facebook und Twitter unglücklich. Im Live Chat und in Messengern können sie tolle Arbeit leisten, ebenso am Telefon oder bei der Beantwortung von E-Mails. Ersparen Sie solchen Mitarbeitern die Tätigkeit auf den Marktplätzen des Service.
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Es geht nicht nur um die Software
Wer die unzähligen Blog-Artikel über Omnichannel Kundenservice liest, könnte meinen, die Technik ist die größte Herausforderung. Die Verknüpfung der verschiedenen Kanäle in einer Plattform ist hilfreich, damit alle Beschäftigten die gesamte Kommunikation mit einem Kunden sehen können. Dafür gibt es Programme und Schnittstellen: Zum Beispiel die Callcenter Software von telegra, die modular Aufgebaut ist, und Callcentern die Möglichkeit bietet, zentral in einem Tool sämtliche Kontaktkanäle zu bearbeiten. Doch wenn eine Software installiert und eingerichtet ist, dann wird es erst wirklich spannend. Denn dann merken alle, dass Silos den Kundenservice behindern. Das Wissen darüber fehlt meist in der Omnichannel-Strategie.
In der anderen Kommunikation mit und für die Kunden liegt eine Chance für Firmen. Wenn sie Verbindungen zwischen den Unternehmensbereichen ermöglichen, dann bekommen die Kunden und der Kundenservice einen anderen Stellenwert. Dann lernt das Unternehmen von den Kunden – nicht in Fokus-Gruppen, sondern in der täglichen Arbeit. Und Lernen ist ein Schlüssel zum Erfolg.
Wenn Du dich eingehender mit dem Thema beschäftigen möchtest, empfehle ich Dir das Buch „Kundenservice im Social Web“ von Andreas Brock. Wer lieber Podcasts hört, wird das Interview von Tim Pritlove mit Andreas Brock im Kolophon Podcast genießen.